389 Tage am Stück: Verurteilter im „Maskenmann“-Prozess in Berlin monatelang in Isolationshaft

Nach einem Fluchtversuch soll der zu lebenslanger Haft verurteilte Mario K. über ein Jahr in Isolationshaft gesessen haben. Für den Vollzugsbeirat ist klar: „So lange gehört da niemand rein.“ Von Robert Ide

389 Tage am Stück: Verurteilter im „Maskenmann“-Prozess in Berlin monatelang in Isolationshaft
Foto: imago images/Jürgen Ritter

Im Berliner Knast ist er kein Unbekannter. In Brandenburg hat sein Fall eines der umstrittensten Gerichtsverfahren seit der Wende ausgelöst. Der Dachdecker Mario K., verurteilt ohne Zeugen und schlagende Beweise zu lebenslanger Haft im so genannten „Maskenmann“-Prozess um den bewaffneten Überfall auf eine Millionärsfamilie in Bad Saarow 2011 und die mutmaßliche Entführung eines Bankers am Storkower See 2012, macht neue Schlagzeilen. Diese werfen nun nicht unbedingt ein gutes Licht auf die Berliner Justiz. Demnach soll K., wie auch andere gefährliche Häftlinge, mehrere Monate in eine Isolationszelle der Justizvollzugsanstalt Tegel eingesperrt worden sein (via RBB). Laut Berliner Strafvollzugsgesetz darf die JVA Gefangene nur dann länger als 24 Stunden isolieren, wenn das zur Abwehr von Gefahren unerlässlich ist. Die Isolationszellen haben nur eine karge Ausstattung und sollen sich gerade in Tegel in einem erbärmlichen Zustand befinden.

Auf jeden Fall ist Mario K. kein ungefährlicher Mann. Er soll 2011 im Zuge des Überfalls auf eine Unternehmerfamilie einen Wachmann angeschossen haben; dieser ist seitdem querschnittsgelähmt. Als Häftling hat er 2019 die Gitterstäbe am Fenster seiner Zelle mit Chemikalien zertrennt und sich an der Fassade der Anstalt hinabgeseilt. Hinterher hatte der Gefangene nicht offenbaren wollen, wie ihm das gelungen war.

Nach Erkenntnissen des Berliner Vollzugsbeirats, der sich für die Rechte von Gefangenen einsetzt, musste K. mehr als ein Jahr in der Isolationszelle verbringen. „Nach uns vorliegenden Dokumenten war er 389 Tage in Isolationshaft“, sagt Olaf Heischel, Vorsitzender des Vollzugsbeirats, am Checkpoint-Telefon. „Wenn dies wirklich nur geschehen sein sollte, weil er seine Fluchtmittel nicht verraten wollte, wäre das absolut ungerechtfertigt.“ Er selbst habe aber bei seinem Besuch des berüchtigten Gefängnistraktes im Mai 2023 nicht mit K. sprechen können, betont Heischel. In einem anderen ihm bekannten Fall habe er jedoch „den Eindruck gewonnen, dass die lange Isolationshaft eine Art Bestrafung für den Fluchtversuch sein sollte“.

Laut Gesetz ist eine Isolationshaft auch bei Fluchtgefahr zulässig; zudem wird laut Justizverwaltung eine solche Unterbringung monatlich überprüft von zuständigen Justizbeamten und Sozialarbeitern. „Ich glaube nicht, dass das wirklich ernsthaft geprüft wird“, sagt dazu der pensionierte Anwalt Heischel, der 35 Jahre im Stafvollzugsrecht tätig war. „Für so lange Zeit gehört da niemand hin.“

Die Haftbedingungen des verurteilten Dachdeckers K. gewinnen besondere Brisanz dadurch, dass die Brandenburger Polizei bei der Aufklärung des spektakulären, ihm zur Last gelegten Entführungsfalls eines Bankers zahlreiche Spuren offenbar mangelhaft aufnahm und einigen Verdachtsmomenten nicht nachging. Nach eigenen Angaben war der Banker im Herbst 2012 aus seiner Villa am Storkower See mit Hilfe eines Kajaks durch den See auf eine Schilfinsel verschleppt worden und habe sich dort nach 33 Stunden selbst befreit.

Wie eine umfangreiche Tagesspiegel-Recherche zeigte, hatten drei kritische Polizisten gegen ihre eigene Führung rebelliert, weil sie auf Verfahrenslücken und Direktiven ihrer Chefs zu einseitigen Ermittlungen aufmerksam gemacht hatten – Widersprüchen etwa in Richtung einer fingierten Entführung hätten sie nicht nachgehen dürfen. Daraufhin kamen die Beamten selbst vor Gericht wegen angeblicher Falschaussagen; erst vier Jahre später wurde das Verfahren gegen die Rebellen eingestellt. Gerichte hatten das Urteil gegen K. trotz aller Widersprüche letztinstanzlich bestätigt. Ein besonderer Fall für die Justiz bleibt er weiterhin.