Stefan Heyms Mahnung für den neuen Bundestag – mehr als drei Jahrzehnte später
Am Dienstagvormittag wird der neue Bundestag offiziell. Der ostdeutsche Schriftsteller und parteilose Politiker Stefan Heym sprach 1994 vor dem damals neuen Parlament. Seine Worte haben auch heute nicht an Bedeutung verloren. Von Robert Ide.

juten Tach! Oder wie man sich heute in der Mitte der Hauptstadt zuruft: Bundestachchen! Am Vormittag konstituiert sich das neu gewählte Parlament – von den 630 Abgeordneten sind 230 neu in Berlin dabei. Der Berliner Gregor Gysi darf als dienstältester Bundestagler die Eröffnungsrede halten. Der 77-Jährige, der nach dem Zusammenbruch der DDR aus der Staatspartei SED die PDS formte und später mit SPD-Flüchtling Oskar Lafontaine daraus die Linke machte, kann sich dabei auf den ostdeutschen Schriftsteller Stefan Heym berufen. Der sprach im November 1994 als parteiloser, mit 81 Jahren ältester Abgeordneter für die PDS die ersten Sätze im damals neuen Bundestag (unter Protest der Unionsfraktion) und hinterließ bis heute gültige Worte: „Deutschland, und gerade das vereinigte, hat eine Bedeutung in der Welt gewonnen, der voll zu entsprechen wir erst noch lernen müssen. Denn es geht nicht darum, unser Gewicht vornehmlich zum unmittelbaren eigenen Vorteil in die Waagschale zu werfen, sondern das Überleben künftiger Generationen zu sichern.“ Mehr als drei Jahrzehnte später bleibt dies weiterhin täglich zu tun.