DDR-Schlagerstar Frank Schöbel im Interview

Er war der erfolgreichste Schlagersänger der DDR, heute tobt er noch mit 80 Jahren über die Bühne. Sein erfolgreichstes Album spielt im Advent: Weihnachten in Familie. Wenn man Frank Schöbel in seiner Heimat in Mahlsdorf zum Interview trifft, kann man durch die Zeit reisen – aber auch viel über die ostdeutsche Seele herausfinden, die noch immer nach sich selbst sucht. Hören wir mal kurz rein:

Herr Schöbel, können Sie verstehen, warum viele Menschen heute nachträglich positive Gefühle für die DDR haben, die sie damals abgeschafft haben?
Ich glaube, es ist im Leben immer so: Das Schlechte vergisst man und das Gute bleibt im Gedächtnis. Außerdem hat der Westen dazu beigetragen, unsere Leben schlecht zu reden – einfach besserwisserisch. Da sagen viele zu Recht: Nein, das lassen wir nicht zu. Ostdeutsch heißt für mich, sich durchzubeißen, seinen Willen trotz aller Hindernisse durchzusetzen.

Gab es keine Wiedervereinigung im deutschen Schlager?
Nein, und man gibt uns das Gefühl, die will auch keiner. Roland Kaiser haben die westdeutschen Kinder schon früher bei ihren Eltern und Großeltern gehört – sie können die Melodie mitsummen, tanzen dazu heute mit ihren Kindern. Unsere Lieder kennt man eben nur bei uns. Auf einer Kreuzfahrt, auf der ich mal gespielt habe, kam nach der Show ein Lehrer aus Bayern zu mir und sagte, er fände es schade, dass er meine Lieder nicht kannte. Das war nett, aber was soll ich machen?

Hatte Schlager in der DDR eine politische Funktion – als unpolitische Welt, in die sich viele Menschen flüchten?
Schlager hat diese Funktion bis heute. Nehmen Sie „Weihnachten in Familie“….

…das erfolgreichste Album der DDR, das Sie 1985 mit Ihrer Familie aufgenommen haben und von dem zwei Millionen Tonträger verkauft wurden. Mit Verlaub, das war ziemlich kitschig.
Aber die Menschen wollen auch mal eine heile Welt, gerade zu Weihnachten. Selbst viele Leute, die einsam sind und gerade an Weihnachten daran erinnert werden, möchten davon träumen, umsorgt zu werden. Was ist verwerflich daran? Und man kann im Schlager trotzdem politische Botschaften unterbringen. Früher habe ich gesungen: „Mit uns könn‘ses ja machen“ oder „Mensch wach auf“. Heute klatschen die Leute zu den Liedern: „Das kannste voll vergessen“. Oder: „Alles schon mal da gewesen“. Sie fühlen sich verstanden.

Sie sind 80 Jahre alt. Wie lange wollen Sie eigentlich noch auf der Bühne herumturnen?
Mich hält das fit. Ich spiele einmal in der Woche bei mir in Mahlsdorf Fußball, gehe ins Sportstudio. Warum soll ich mit einem Leben aufhören, das mich erfüllt?

Und irgendwann fallen Sie tot auf der Bühne um?
Naja, hoffentlich hinter der Bühne.

Das ganze Gespräch mit Frank Schöbel, bei dem er auch erzählt, wie er als Kind auf Beerdigungen zur Musik gekommen ist und wie in der DDR zwischen den Zeilen gesungen wurde, lesen Sie hier. Und falls Sie bei „Weihnachten mit Familie“ noch freiwillig oder unfreiwillig mitsummen können, dann trauen Sie sich hier.